Für mein Buch „Ich schaffe das! Kinder und Karriere leichter vereinbaren – 12 Strategien für den Erfolg“ habe ich in den letzten Monaten mit vielen Frauen gesprochen und sie zu ihren Herausforderungen als berufstätige Mutter befragt. Auch nach der Fertigstellung des Buchs wollte ich diesen spannenden Austausch gerne fortsetzen. Und so habe ich vor einiger Zeit mit Susanne Breul, Architektin und Mutter zu meinem Lieblingsthema gesprochen.
Susanne hat zunächst Physik mit Nebenfach Astronomie studiert, sich dann aber für eine Laufbahn als Architektin mit dem Schwerpunkt Entwerfen entschieden (mehr Infos unter: susannebreul.com) . Während ihrer Elternzeit gründete sie ihre Handtaschenfirma Breul Lefties Finest. Sie ist verheiratet und hat einen zehnjährigen Sohn. Sie lebt mit ihrer Familie in Suffolk in England.
Marna: Wie sieht es bei dir aus mit der Vereinbarkeit von Kind und Karriere? Wie lebst du das?
Susanne: Oh, da war ich zuerst ziemlich “stubborn”, wollte, dass alles so läuft, wie ich es mir vorgestellt hatte. Inzwischen meditiere ich zweimal täglich und habe etwas losgelassen.
Das heißt, ich habe Ziele und ich verfolge sie, kann aber auch zulassen, dass für eine Weile mein Kind im Vordergrund steht oder dass das Leben mir etwas zeigen möchte, das ich vorher nicht gesehen habe. Ich lasse mein Kind mir viel zeigen und mich von dem beeindrucken, was es Neues ins Leben bringt. Das hat mein Vater auch schon so gehalten.
Praktisch ausgedrückt: Mein Mann und ich, wir arbeiten beide von zu Hause aus und haben auch unser Kind zu Hause und das seit unserem Umzug nach England. Er hatte uns darum gebeten, von uns zu lernen und sich geweigert, weiter zur Schule zu gehen.
In den letzten Monaten habe ich Geld mit Fachübersetzungen verdient und ich netzwerke ganz viel, um wieder Aufträge im Bereich Architektur zu akquirieren. Inzwischen bin ich auch mit einem Kollegen in Kontakt, um gemeinsam an Architekturprojekten zu arbeiten. Und dann bin ich dabei immer noch ungeduldig und denke, es geht alles nicht schnell genug!
Marna: Hast du oder habt ihr Elternzeit genommen?
Susanne: Ja, ich habe Elternzeit genommen. Das konnte ich aber nur, weil ich beim damaligen Arbeitgeber, einem Architekturbüro, auf einen Arbeitsvertrag bestanden habe. Andere arbeiteten ohne Vertrag.
Leider konnte ich aus gesundheitlichen Gründen schon während der Schwangerschaft nicht mehr ins Büro und habe dann einen länger gehegten Traum umgesetzt, Kleinlederwaren zu entwerfen. Daraus ist eine kleine Firma entstanden und ich habe sogar an einem Handtaschenwettbewerb in New York erfolgreich teilgenommen. Die Taschen werden im Allgäu handgefertigt. (Mehr Infos dazu hier.)
Mein Mann hatte kein Angestelltenverhältnis, sondern war freiberuflicher Projektleiter. Er hat keine Elternzeit genommen, dafür hat er unseren Sohn von Anfang an regelmäßig mit zur Arbeit genommen.
Marna: Die Zusammenarbeit mit deinem Mann war und ist also ein entscheidender Faktor?
Susanne: Ja, diese Zusammenarbeit haben wir uns erarbeitet und das war zum Teil kein Kinderspiel. Wir mussten beide unsere Kommunikationsfähigkeit verbessern und eine Kollegin meinte letztlich, ich würde unsere Familie führen wie eine Firma. Das ist womöglich so und dadurch erschaffen wir uns Freiräume.
Marna: Welche Aufgaben übernimmt dein Mann konkret?
Susanne: Alle. Mein Mann hatte ein Hotel an der Alster als ich ihn kennenlernte. Natürlich hatte er Angestellte, aber im Notfall kann und tut er alles. Er macht großartigen Obstsalat und backt gerne Brot. Er liebt es, Lebensmittel einkaufen zu gehen. Das macht meistens er oder wir gehen Samstag-morgen gemeinsam zum Markt. Er wäscht, er bügelt viel. Zeitweise haben wir die Wäsche zum Bügeln weggegeben, zeitweise hatten wir Putzhilfen. Aber gerade in den letzten Wochen war es schon von Vorteil, dass wir alles auch selbst erledigen oder mal Fünfe gerade sein lassen können.
Er putzt sehr gut und gerne Schuhe. Wir beziehen die Betten gemeinsam. Der Garten ist seins, das liebt er. Unser Sohn hat gerade angefangen mit Rasenmähen, hilft auch mit den Betten und lernt gerade, wie die Waschmaschine funktioniert. Mein Mann kocht auch. Er kümmert sich um die Autos. Manchmal ist es mir fast unheimlich, was er alles übernimmt.
Als ich unseren Sohn geboren habe, wohnten wir noch in einer 2-Zimmer-Wohnung auf der Uhlenhorst (ein Hamburger Stadtteil). Er holte die Windeln aus dem Trockner und meinte, Windeln falten wäre “pretty Zen”.
Marna: Außer deinem Beruf, deinem Sohn und deinem Mann bist du auch noch ehrenamtlich tätig. Wie schaffst du das alles?
Susanne: Ich glaube, Flexibilität spielt da eine besondere Rolle. Wenn ich mehr Luft für eine Aufgabe brauche, dann springt mein Mann ein. Entweder er sieht es von alleine oder ich bitte ihn darum und umgekehrt genauso. Ich lasse mich unterstützen. Ich sage auch in meinem Ehrenamt Bescheid, wenn ich Unterstützung brauche und investiere viel Zeit und Geld in Coaching und Mentoring.
Marna: Ihr lebt jetzt seit etwa einem Jahr in England? Konntest du dir da schon ein unterstützendes Netzwerk aufbauen?
Susanne: Es sind jetzt genau zwei Jahre. Ein unterstützendes Netzwerk? Ja, ich glaube schon. Ich muss mich nur immer wieder daran erinnern, dass mein Netzwerk nicht traditionell ist und nicht so aussieht, wie ich es gewohnt war, das zu sehen. Meine Mentorengruppe z.B. ist online und von daher ist dieser wichtige Teil für mich konstant geblieben, unabhängig von Wohnort.
Mein Ehrenamt ist Teil dieses Netzwerks. Ich hatte dorthin bereits die Fühler ausgestreckt, bevor wir umgezogen sind, um gleich Anlaufstellen zu haben. Am Anfang konnten wir vier Wochen im Haus von Verwandten sein, bis wir unser erstes Haus bezogen haben. Das war natürlich super hilfreich.
Marna: Wie nimmst du dir noch Zeit für dich selbst? Was ist dir persönlich wichtig?
Susanne: Persönlich wichtig sind mir meine Freundinnen und mein Schlagzeug. Das Schlagzeug erlaubt mir, meine Energie zu managen, es erdet mich, es befreit mich von Ballast. Es hat mich viel gelehrt. Außerdem brauche ich Kunst und Kultur um meine Batterien aufzuladen. Teil meines Mentorenprogramms ist eigentlich ein Training in Florida, das dieses Jahr leider auch online stattfinden wird. Diese Auszeit fehlt mir dieses Jahr sehr, denn regulärer Urlaub ist bei uns oft nicht drin gewesen.
Kurz vor dem Lockdown war ich mit meinem Sohn noch in einer Picasso-Ausstellung (Picasso and Paper) in London. Die war sehr interessant, weil viel vom Entstehungsprozess der Kunstwerke gezeigt wurde und mein Sohn selbst sehr sehr viel zeichnet. Letzte Woche habe ich über Zoom an einem Vortrag im Gorgia O´Keefee-Museum teilgenommen. Super, dass das jetzt geht!
Marna: Welche Empfehlung hast du für andere berufstätige Mütter? Was hättest du dir zum Beispiel zu einem früheren Zeitpunkt gewünscht?
Susanne: Das Wichtigste ist in meinen Augen, sich über die eigenen Werte und Prioritäten klar zu sein und gut für sich selbst zu sorgen. Es gibt schriftliche Übungen dazu, herauszufinden, was einem wichtig ist.
Es gibt diesen Artikel “the good enough mother” und jemand hat vor nicht langer Zeit einen Artikel in der New York Times geschrieben: ”The good enough life.” Das heißt, macht euch Gedanken, was ist “gut genug”, sonst kann man wirklich immer nur unzufrieden sein.
In vielen Köpfen ist einfach immer noch die Vorstellung, dass berufstätige Frauen – und vor allem Akademikerinnen – keine Kinder haben. Das ist aber mitnichten der Fall.
Ich hätte mir früher Beratung und Unterstützung zum Thema Karriere gewünscht und ich kann nur jeder Mutter empfehlen, in gute Beratung zu investieren.
Marna: Herzlichen Dank liebe Susanne für deine Zeit und deine Offenheit. Das zeigt erneut einen Weg auf, wie man es schafft, Kind und Karriere zu vereinbaren.
Es wird immer von Doppelbelastung gesprochen. Ich sehe das anders. Es ist eine Herausforderung, ja. Es ist manchmal auch sehr anstrengend. Aber es ist auch eine doppelte Belohnung, ein doppeltes Glück. Ich kann meinem Beruf, meiner Leidenschaft nachgehen und ich habe Kinder, die ich liebe. Und das ist wundervoll.
Mehr Einblicke von weiteren Müttern findest du in meinem neuen Buch: „Ich schaffe das! Kinder und Karriere leichter vereinbaren – 12 Strategien zum Erfolg“, ab sofort erhältlich für 19,95 €.